Dienstag, 18. September 2012

Mouton Rothschild 1982 (1er Cru, Paulliac)

Ich freue mich auf die Vertikalverkostung
zum 30. Geburtstag des Fabel-Jahrganges im
Herbst, zumal die letzte dieser Art bereits
Jahre zurückliegt. Die Erinnerung an die
großen 1982er-Weine beider Ufer ist
lebendig in mir; die nachhaltigste ist jene an
den Mouton: Ungemein rassig und jugendlich,
ist er zugleich verführerischer und
expressiver als alle anderen Châteaus.
Die cremig anmutende Textur schwelgt in
Röstaromen, die ich noch nie so nobel
erleben durfte. Das spezielle, nicht enden
wollende Arabicakaffee-Aroma (Jamaica Blue
Mountain!) sowie Nuancen von Zedernholz,
Goudron (Holzkohle!), Beeren-Confit und
exotische Anklänge (Kokos, Minze) treiben
ihr Spiel mit dem machtlosen Verkoster:
Du liebes Kind, komm geh‘ mit mir!
Gar schöne Spiele, spiel ich mit dir.
Unser Wein wird seinen legendären
Vorgänger von 1945 erreichen oder gar in
den Schatten stellen. Nach vielen Stunden
bot ein homöopathischer Glasrest immer
noch Duftexzesse. Welch Potenzial für
100 Jahre wurde hier gezaubert!?
Meine Tropfen führen den nächtlichen Reihn
Und wiegen und tanzen und singen dich ein.
Das Künstleretikett unseres Weines wurde
Philippe de Rothschild zum damals 60. Jahr
seiner Leitung des Gutes gewidmet. Der
visionäre amerikanische Regisseur John
Huston, selbst schon im Greisenalter, schuf
ein originelles Aquarellbild, das den Vergleich
mit den Etiketten von Picasso, Chagall, Dali
und anderen nicht scheuen muss. Der
zwischen Sonne und Traube überschwänglich
auf zwei Beinen tanzende (fauneske)
Widder vermittelt ebensolche laszive
Leidenschaft wie der Flascheninhalt.
Den lakonischen Humphrey Bogart in
Hustons Debütfilm nach Dashiell Hammets
Roman „The Maltese Falcon“ vor Augen
und unseren Mouton für immer am
Gaumen, suchen wir eine Antwort auf die
wesentliche Frage in Goethes Ballade:
Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht?
Aber ja, er springt aus der Flasche dem
Sonnenball entgegen!